Teil 24 der Serie Text: Dr. H. Jürgen Kagelmann und Dr. Walter Kiefl
Immer wieder aufs Tapet gebracht werden Stereotypen und Mythen, die über Jahre und Jahrzehnte in der Tourismusbranche verbreitet werden, ohne dass sich jemand wirklich die Mühe macht, objektiv nachzuforschen, wie denn nun die Wirklichkeit aussieht. In dieser Ausgabe gehen die Münchner Tourismus- und Sozialwissenschaftler Dr. H. Jürgen Kagelmann und Dr. Walter Kiefl der Frage auf den Grund, ob in Hotels wirklich alles gestohlen wird, was nicht niet- und nagelfest ist.
In Hotels wird viel gestohlen. Dieses regelmäßig zum Beginn einer Reisesaison wiederkehrende Thema verdankt seine Beliebtheit dem Unterhaltungswert: Meldungen über aus Hotels gestohlene Pianos, ausgestopfte Tiere, wertvolle Gemälde oder Fernsehgeräte lösen bei Lesern nicht nur wohliges Erschauern aus, sondern auch Genugtuung darüber, selbst nicht zu den kriminellen Subjekten zu gehören, oder – falls man selbst einmal ein Glas mit Hotellogo oder eine ähnliche Kleinigkeit hat „mitgehen“ lassen –, dass andere noch viel Schlimmeres angestellt haben.
Grundsätzliches zur Rechtslage: Rechtlich dürfen lediglich die vom Hotel bereitgestellten Artikel wie zum Beispiel bereits vom Gast benutzte Seifenstücke (nicht aber ein Spender mit Flüssigseife) oder eingeschweißte Badeschuhe (die nach ihrer Benutzung aus hygienischen Gründen keinem anderen Gast mehr zur Verfügung gestellt werden können) mitgenommen werden. Alles andere – auch in Plastiksäckchen verpacktes Duschgel – bleibt Eigentum des Hotels. Dabei gibt es aber eine (nicht rechtliche, sondern nur praktische) Bagatellgrenze: So wird es bei gestohlenen Handtüchern, Waschlappen oder Kleiderbügeln aufgrund des schwierigen Nachweises und der unerwünschten Aufmerksamkeit bei einer prinzipiell möglichen Überführung von Tätern in der Praxis kaum zu einer Anzeige oder gar einem Verfahren kommen.
| 1. Untersuchungen zum Hoteldiebstahl |
Dass Handtücher oder Stifte aus Hotelzimmern mitgenommen werden, erscheint nicht besonders aufregend, aber um Matratzen, Fernsehgeräte, Computer oder kleine Kühlschränke herauszuschmuggeln, bedarf es schon einer gewissen kriminellen Energie. Demzufolge kommen solche Diebstähle, die einen entsprechend höheren Aufmerksamkeitswert haben, auch relativ selten vor.
Es gibt einige neuere Untersuchungen, die sich mit Diebstählen aus Hotelbetrieben befassen.
A) Als erstes Beispiel zunächst eine 2023 durchgeführte Online-Befragung aus dem Vorjahr (Portal Wellness Heaven 2023). Adressaten der Untersuchung waren 1376 Mitarbeiter des Hotel-Managements von europäischen 4- und 5-Sterne Hotels, wobei Deutschland, Österreich, Italien und die Schweiz überrepräsentiert waren. Gefragt wurde dabei, welche Gegenstände innerhalb eines (nicht näher definierten) Zeitraumes von Hotelgästen entwendet wurden. Spitzenreiter waren dabei Handtücher (79 % der Befragten gaben an, dass sie weggekommen wären), gefolgt von Bademänteln (66,4 %), Kleiderbügeln (49,8 %), Stiften (41,8 %), Kosmetikartikeln (36,5 %), Batterien (30,4 %), Besteck (27,5 %), Kunstwerken (24,4 %), Tablets und Computern (18,3 %), Decken (18 %) und Kissen (16,1 %). Knapp ein Achtel der Befragten (12,3 %) nannten Geschirr, 11,4 % Kaffeemaschinen, und 10,4 % Fernbedienungen. Weniger begehrt mit unter 10 % waren Föhn (9,5 %), Fernsehgeräte (8,9 %), Glühbirnen (7,2 %), Matratzen (6,6 %), Lampen (4,1 %), Telefone (3,4 %) oder Mini-Kühlschränke (3,4 %). Was auffällt ist, dass sich in dieser Aufstellung keine Angaben über nicht bezahlte Entnahmen aus der Minibar befinden. Entweder gilt dies nicht (mehr) als Diebstahl, oder es deutet auf eine Abschaffung dieser mitunter doch praktischen Einrichtung in den Zimmern hin.
Die Aufstellung gibt – entgegen einem ersten Eindruck – keine Rangfolge der Beliebtheit bestimmter Gegenstände wider, sondern nur die Anteile der Hotels, die Diebstähle in den jeweiligen Kategorien angegeben haben. Wenn zum Beispiel in zwei Drittel der Häuser jeweils nur ein Bademantel entwendet wird, rutscht die Kategorie „Bademantel“ auf der Skala weiter nach oben als die nur von einem knappen Drittel der Befragten angegebene Kategorie „Batterien“, obwohl insgesamt vielleicht einige Tausend dieser Objekte mitgenommen wurden.
Hinzu kommen noch unterschiedliche Dunkelziffern, da Bademäntel eher als fehlend auffallen als Batterien, deren Fehlen zudem nicht zwingend auf einen Diebstahl schließen lässt (der Hotelgast könnte sie auch aufgebraucht und entsorgt haben).
Eine solche Angabe mit Variablen wie Nationalität, Schichtzugehörigkeit oder Einkommen zu kombinieren und aus den Ergebnissen weitergehende Folgerungen zu ziehen, um zum Beispiel traditionelle nationale Stereotypen entweder zu bestätigen oder zu widerlegen, hat nicht einmal einen Unterhaltungswert, vom Informationswert ganz zu schweigen. Was soll damit ausgedrückt werden, wenn (der Erhebung zufolge) Deutsche vor allem Handtücher, Bademäntel und Kosmetikartikel entwenden (und damit ein „langweiliges“ Diebstahlverhalten aufweisen), während Geschirr und Kaffeemaschinen bei Österreichern und Weingläser bei Italienern besonders beliebte Objekte sein sollen?
Da keine absoluten Fallzahlen bekannt sind, lässt sich der Befund, dass Gäste von 5-Sterne-Hotels im Vergleich zu Gästen von 4-Sterne-Betrieben fünfmal so häufig hochwertige Fernsehgeräte aus ihren Hotelzimmern mitnehmen auch nicht weiter interpretieren. Was daran – Wellness Heaven zufolge – „besonders pikant“ sein soll, bleibt ein weiteres Rätsel dieser Studie, zumal sich für diesen Sachverhalt die naheliegende Erklärung anbietet, dass die vermutlich wertvolleren Geräte in den kostspieligeren Hotels beim Verkauf mehr Gewinn einbringen als preiswertere Modelle aus 4-Sterne-Häusern.
B) Einer Befragung von knapp 6000 Deutschen durch das Reiseportal Travel24.com zufolge haben bei einer Gästebefragung 1 % der Teilnehmer zugegeben, schon einmal ein Radio- oder Fernsehgerät aus einem Hotel mitgenommen zu haben. Das wären dann 60 Stück, aber innerhalb welchen Zeitraumes? Und in welchen Ländern? Möglicherweise wollten sich einige der anonym Befragten auch nur besonders interessant machen. Das Ergebnis, dass 80 % der Hoteldiebstähle in 3- und 4-Sterne-Hotels stattfanden und einfachere Häuser und Luxushotels vom Diebstahl weniger betroffen waren, ist – eine valide Erhebung vorausgesetzt – banal. Einfache Häuser haben nichts, was sich zum Mitnehmen lohnt, und Gäste teurer Hotels haben es wohl nicht nötig, etwas mitgehen zu lassen – und/oder befürchten, ihren Sonderstatus zu verlieren, sollte man sie ertappen. ›››
C) Einer Umfrage von Expedia zufolge nehmen 80 % der Hotelgäste öfter etwas mit nach Hause. Am beliebtesten waren Körperpflegeprodukte (56 % der Befragten), gefolgt von Kugelschreibern und Notizblöcken (29 %), Snacks (23 %), Badeschuhen (18 %), Tee und Kaffee (17 %), Bademänteln (14 %) und Handtüchern (13 %). Weitere Mitbringsel waren unter anderem Kissen, Decken, Bilder und Glühbirnen, aber auch Toilettensitze.
| 2. Grundsätzliche Probleme |
Bei eingehender Betrachtung von in Befragungen genannten Hoteldiebstählen werden definitorische und methodische Mängel deutlich, die Zweifel an den präsentierten Ergebnissen wecken. Vor allem zwei Punkte sind geeignet, Skepsis gegenüber den Ergebnissen nicht nur bei der hier lediglich als Beispiel zitierten Studie zu nähren:
Befragungen – vor allem standardisierte Online-Befragungen – sind aufgrund ihrer relativ leichten Durchführbarkeit beliebt, weisen aber hinsichtlich ihrer Interpretierbarkeit Mängel auf.
- Nur wenige Auftraggeber beziehungsweise durchführende Institute teilen Details ihrer Methodik (Art und Umfang der Stichprobe, Fragenformulierung, Untersuchungszeitraum, Befragungssituation) mit. Befragt werden meist nur Hoteliers und Hotelpersonal. Befragungen von Gästen sind dagegen selten, was insofern plausibel ist, da diese kaum ein eventuelles Fehlverhalten zugeben werden.
- Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Auftraggeber von Befragungen meist nicht neutral sind, das heißt es handelt sich bei ihnen nicht um wissenschaftliche oder staatliche Stellen, sondern Hotel- oder Reiseplattformen, deren Interessenlage bestimmte Frageformulierungen vorgibt.
- Zunehmend werden kostengünstige Online-Befragungen durchgeführt. Sie haben den Nachteil, dass man nicht kontrollieren kann, wann, wo und von wem der Fragebogen ausgefüllt wurde; das heißt mögliche externe (und verzerrende) Einflüsse in der Befragungssituation bleiben unbekannt. Die Länge eines elektronischen Fragebogens führt nicht selten zum Abbruch und damit zu Verzerrungen hinsichtlich der Repräsentativität – sofern diese überhaupt erstrebt wurde.
Repräsentativität: Die meist nicht gesicherte Repräsentativität kann den Aussagewert der Erhebung wesentlich beeinträchtigen. Ein Beispiel dafür ist bereits erwähnte 2023 durchgeführte Online-Befragung von 1376 Mitarbeitern des Hotel-Managements von 4- und 5-Sterne-Hotels in Europa durch das Portal Wellness Heaven. Die Zusammenstellung mag zwar unterhaltsam sein, hat aber nur einen geringen Aussagewert. Abgesehen von der Vernachlässigung der Häuser mit weniger als vier Sternen und der Überrepräsentation von Hotels aus Deutschland, Österreich, Italien und der Schweiz erfährt man nichts über die Zusammensetzung der Stichprobe und über den Anteil derjenigen, die nicht geantwortet haben. Möglicherweise handelt es sich dabei um eine spezielle Datenbank als Grundgesamtheit, nämlich um die Hotels, mit welchen der Auftraggeber der Untersuchung zusammenarbeitet.
Wichtige Kriterien wie die Größe der Häuser (Zimmerzahl), Art der Betriebe (Wellnesshotel, Strandhotel, Stadthotel etc.) und der Gäste (Nationalität, Alter, allein oder in Begleitung) bleiben unerwähnt. Vor allem aber sind in den uns vorliegenden Informationen keine Angaben über den Zeitraum enthalten, auf den sich die Erfassung erstreckt.
Die seit rund zehn Jahren bei Befragungen von Hotelgästen zusätzlich erhobenen Variablen wie „Schichtzugehörigkeit“, „Bildungsgrad“ oder „Einkommen“ werfen weitere Fragen auf: Beruhen die ermittelten Werte auf Angaben der befragten Gäste beziehungsweise Täter – oder handelt es sich dabei um problematische Rückschlüsse auf die Nutzer eines Zimmers, in dem etwas verschwunden ist? Eine weitere Frage ist, wie die Schichtzugehörigkeit ermittelt wird. Geschieht dies zum Beispiel durch Selbstangabe im Rahmen einer Online-Befragung, hat man es wieder mit dem Problem der Zuverlässigkeit zu tun.
Ein weiteres grundsätzliches Problem besteht darin, dass „verschwunden“ nicht automatisch „gestohlen“ bedeutet – und dass für „Gestohlenes“ nicht automatisch Gäste verantwortlich sind. Die mit großer Sicherheit von Hotelgästen gestohlenen Gegenstände sind nur eine – mehr oder weniger große – Teilmenge verschwundener Objekte. Mit anderen Worten: Aus Hotelzimmern mitgenommene Gegenstände werden mitunter – voreilig oder in Einzelfällen – auch absichtlich den logierenden beziehungsweise abreisenden Gästen zugeschrieben. Dabei wird nicht berücksichtigt, dass es dafür auch andere Gründe geben kann, etwa eine Entsorgung aufgrund von Abnützung oder Beschädigung oder eine irrtümliche und nicht angegebene Entsorgung. Irrende und absichtliche Verursacher von Schwund sind also nicht nur die Gäste, sondern beispielsweise auch das Personal, Handwerker und andere externe Dienstleister, Lieferanten, aber auch professionelle Diebe, die sich das Hotel für einen geplanten Beutezug ausgesucht haben.
Da sich häufig die Ursachen beziehungsweise Täter nicht ermitteln lassen und man gerne eine Erklärung für den Schwund hätte, liegt es nahe, anonyme Gäste dafür verantwortlich zu machen, zumal dann niemand davon einen Nachteil hat. Somit ist es schwierig, die „echten“ Hoteldiebstähle vom Schwund abzugrenzen, das heißt, es ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen.
| 3. Begünstigende Bedingungen und Motive |
Die vorliegenden Untersuchungen sind auch deswegen enttäuschend, weil sie nicht unter die Oberfläche gehen. Nehmen wir an, es würde tatsächlich viel gestohlen werden, muss man sich die Frage nach den Ursachen stellen, die grundsätzlich nicht kriminell veranlagte Menschen dazu bewegen, sich in einem Hotel unrechtmäßig Dinge anzueignen. Dabei ist zwischen begünstigenden Bedingungen und Motiven zu unterscheiden. Zu den erstgenannten gehören:
Die für eine Hotelübernachtungen typische Anonymität: Kriminologische Studien belegen, dass es eine stärkere Hemmung gibt, persönlich bekannten Menschen etwas wegzunehmen als einer unpersönlichen Firma oder einer anonymen Gesellschaft. Insofern dürften in einem kleinen traditionellen Familienhotel mit einem hohen Anteil an Stammgästen und gemütlich-informeller Atmosphäre weniger Hoteldiebstähle vorkommen als in einem großen Haus, das zu einem weltweiten Konzern gehört, zumal in diesem Fall „rechtfertigende“ Rationalisierungen nicht so schwierig erscheinen.
Günstige Gelegenheit und mangelnde Sorgfalt: Weitgehend fehlende Kontrolle vor allem in den Zimmern begünstigt die unerlaubte Mitnahme von Hoteleigentum, ebenso mangelnde Sorgfalt des Personals oder des Managements. Offene Gästezimmer, eine kurzzeitig verlassene Rezeption und dergleichen kann labile Menschen zu spontanen Diebstählen von Hoteleigentum verführen.
Gedankenlosigkeit wird gerne als Schutzbehauptung angegeben. Oft wird sie zur Vermeidung weiterer Umstände und in Anbetracht der Hektik bei der Abreise auch als Entschuldigung akzeptiert, doch fällt es schwer, daran auch noch bei einer entwendeten Kaffeemaschine oder eines Gemäldes zu glauben. ›››
Unkenntnis der Rechtslage lässt sich als Schutzbehauptung allenfalls beim Entwenden billiger Verbrauchsartikel oder beim Mitnehmen von Brötchen, Obst und anderen Lebensmitteln vom Frühstücksbuffet (um sich damit später beim Ausflug oder am Strand eine Zwischenmahlzeit zu sparen) geltend machen.
Angenommene geringe Entdeckungs- und Verfolgungswahrscheinlichkeit: Es hat sich herumgesprochen, dass wohl kaum ein Hotelier wegen eines fehlenden Handtuchs Anzeige erstattet. Zum einen ist selbst bei begründetem Verdacht ein Nachweis oft schwierig, zum Beispiel, weil manche Gäste bei ihrer Abreise die Zimmertür offenlassen, sodass bis zur anstehenden Kontrolle eine fremde Person das Zimmer betreten und etwas daraus entwenden kann. Selbst wenn ein solcher Nachweis gelänge, würde häufig der damit verbundene zeitliche Aufwand den Wert des gestohlenen Gegenstandes deutlich übersteigen. Davon gehen auch potenzielle Täter aus.
Tätertypen und -motive: Ungeachtet der hier nur angedeuteten Relativierungen und Einschränkungen ist davon auszugehen, dass sich Hotelgäste – in einem nur schwer genauer feststellbaren Ausmaß –am Hoteleigentum vergreifen. Zur Minderung des durch Hotelgäste verursachten Schwunds kann es nützlich sein, sich Klarheit über die Persönlichkeit und die möglichen Motive potenzieller Hoteldiebe zu verschaffen. Dabei lassen sich – ohne den Anspruch auf Vollständigkeit – mehrere nicht immer eindeutig abgrenzbare Tätertypen unterscheiden:
- Souvenirjäger: Das Bedürfnis, Erinnerungsgegenstände von einem Urlaubsort und/oder Beherbergungsbetrieb nach Hause mitzunehmen ist normal, insofern die Objekte legal erworben werden. Bei manchen begehrten, aber nicht im Handel erhältlichen Dingen (zum Beispiel Gläser oder Tassen mit dem Aufdruck des Hotels) ist dies nicht möglich. Ist die Gelegenheit günstig, wird das betreffende Objekt schnell eingesteckt. So geht ein – vermutlich eher – kleiner Teil der Diebstähle auf Souvenirjäger zurück.
- Dem Sammler geht es primär darum, sich durch das Mitnehmen von Hoteleigentum einen materiellen Nachweis seines Reiselebens zu verschaffen, wobei der Geldwert der Beute (meist Handtücher, Bademäntel, Gläser, Kugelschreiber mit Hotellogo) weniger entscheidend ist.
- „Sportliche“ Klauer und Beutemacher: Dabei handelt es sich um Menschen, die oft mangels anderer verfügbarer Belohnungen gierig auf jedes noch so kleine Erfolgserlebnis sind, wie zum Beispiel, mehr oder weniger bewachte Gegenstände zu entwenden. Der materielle Wert dieser Objekte spielt dabei nur eine untergeordnete Rolle gegenüber dem Reiz, nicht erwischt zu werden.
- Renommiersüchtige: Deutlich sichtbar angebrachte Logos hochpreisiger Hotels auf deren Handtüchern, Bademänteln, Gläsern, Besteck und anderen Gegenständen begünstigen deren Diebstahl. Charakteristisch für die Täter ist ein Persönlichkeitstyp, der auf eine prestigeträchtige Außendarstellung Wert legt, das heißt, es wird nur des Protzens wegen gestohlen.
- Rachegetriebene: Aus Gesprächen – leider sind bisher keine empirische Daten verfügbar – weiß man, dass das gebotene Preis-/Leistungsverhältnis von manchen Hotelgästen sehr ungünstig beurteilt wird. Zwar ist uns bisher keine Untersuchung bekannt, die einer möglichen Korrelation zwischen Unzufriedenheit und Diebstahlhäufigkeit nachgeht, doch erscheint es plausibel, dass sich unfreundlich behandelt und/oder „abgezockt“ fühlende Gäste vermehrt dazu neigen, ihren Missmut durch Verschwendung (etwa unnötiger Energie- und Wasserverbrauch), vandalistische Akte oder Diebstähle zu kompensieren. Während es bei diesem Tätertyp auf ein konkretes negatives Erlebnis ankommt, gibt es auch generell frustrierte, sich ausgegrenzt und benachteiligt fühlende Menschen, die sich aus Protest zum Beispiel gegen gesellschaftliche Verhältnisse berechtigt fühlen, sich einen Ausgleich auf Kosten anderer zu verschaffen und dabei geltende Normen zu verletzen. Dass sich auf diese Weise die von ihnen kritisierten Zustände nicht ändern lassen, spielt für sie offenbar keine Rolle.
- Gelegenheitsdiebe (Kleinkriminelle): Stehlen, um sich durch den Verkauf des Diebesgutes zu bereichern oder sich das Geld für einen legalen Erwerb zu sparen ist ein weiteres, aber vermutlich nicht das häufigste, Motiv von Amateur-Hoteldieben. In solchen Fällen spielt der Wert der entwendeten Gegenstände (häufig Fernseher, Computer, …) eine Rolle, sodass sich dieser Tätertyp überproportional häufig in 5-Sterne-Hotels finden dürfte. Offenbar rechnen die Täter dort mit höherwertigen Geräten, deren Diebstahl sich eher lohnt als der von Geräten aus den preiswerteren Häusern.
Ein Untertyp dieser Kleinkriminellen ist der „Ebay-Verkäufer“, also jemand, der (auch) davon lebt, möglichst viele (und nicht unbedingt redlich erworbene) Gegenstände auf Online-Plattformen anzubieten.
- Kleptomane: Das zwanghafte, nicht kontrollierbare Mitnehmen von Gegenständen ohne Bereicherungsabsicht (Kleptomanie) ist eine psychische Erkrankung und dürfte in Hotels ebenso oft wie in Kaufhäusern, Boutiquen und anderen dafür geeigneten Bereichen vorkommen. Weder versteckte Kameras noch Sanktionsdrohungen können hier Abhilfe schaffen, da die darunter leidenden Menschen kein Unrechtsbewusstsein haben und damit rechnen, nicht erwischt zu werden.
| Fazit |
Zum Thema Hoteldiebstahl gibt es bislang wohl auch aufgrund der Schwierigkeiten einer zuverlässigen Erfassung beziehungsweise Abgrenzung von anderen Arten des Verschwindens von Hoteleigentum nur wenige strengen Kriterien standhaltende Untersuchungen. Bislang vorliegende Studien beruhen meist nur auf methodisch angreifbaren Befragungen von Hoteliers und Hotelpersonal. Werden sie dennoch durchgeführt, so zeigen sich mehrere Schwächen. Das größte Problem besteht darin, dass es schwer ist, den Diebstahl durch Gäste eindeutig von anderen Arten des Verschwindens von Hoteleigentum abzugrenzen.
Das Diebstahlverhalten von Hotelgästen – soweit ein solches im behaupteten Umfang überhaupt vorliegt – ist durch mehrere Ungereimtheiten charakterisiert, indem Fälle von Banalmitnahmen (Kugelschreiber, Waschlappen, …), bizarr erscheinende Diebstähle (Matratzen, gebrauchter Toilettensitz) und sehr seltene sensationelle und eher von professionellen Dieben als von Hotelgästen begangene Taten (Piano, hochwertige Fernseher, …) in einen Topf geworfen werden.
Um dem Diebstahl durch Gäste entgegenzuwirken, hat jedes Haus seine eigenen Strategien. Aus sozialwissenschaftlich-psychologischer Sicht gibt es vor allem ein besonders für kleinere Übernachtungsbetriebe geeignetes Mittel, nämlich das Bemühen um persönliche Beziehungen zum Quartiernehmer, um so einer diebstahlbegünstigenden emotionalen Distanzierung entgegenzuwirken. Aber auch hochpreisige Luxusherbergen sind in der Lage, emotionale Beziehungen zu ihren Gästen aufzubauen, besonders wenn es sich um Stammgäste handelt, die als solche erkannt und für ihre Treue mit Gratifikationen belohnt werden.
Auf offen gezeigte Zuwendung und Freundlichkeit mit schäbigem Verhalten zu reagieren, fällt den meisten Menschen schwer.