Das Hotel ALPIANA – green luxury in Völlan bei Lana (Südtirol) befindet sich seit 1975 im Besitz der Familie Margesin. Damals legten Josef und Rosa Margesin den Grundstein für den Völlanerhof mit 25 Zimmern. Johann und Monika Margesin optimierten das Unternehmen, bis schließlich auch die Söhne Johannes und Christian aktiv in den Familienbetrieb eintraten. 2015 entstand das ALPIANA RESORT mit 59 Zimmern und Suiten, eines der ersten großen Wellnesshotels der Region mit einer einzigartigen Pool- und Gartenlandschaft. Das Hotel ist Mitglied der Hotelgruppen Dolce Vita Hotels sowie Belvita Leading Wellnesshotels Südtirol. Seit jeher setzt die Familie Margesin auf ökonomische Nachhaltigkeit in vielen Bereichen, seit Kurzem spiegelt sich dies auch im neuen Namen ALPIANA – green luxury wider.
Joachim Leiter: Das ALPIANA – green luxury als starke Marke: Wofür steht diese und welche ist die Vision des Unternehmens?
Christian Margesin: Die Marke ALPIANA steht für ein gehobenes Wellnesshotel in traumhafter Natur, das einen Rückzugsort für alle Generationen bildet. Unsere Vision: Eine Art von neuem Luxus schaffen, indem wir eine Symbiose zwischen Infrastruktur, Architektur und Software schaffen. Wir empfinden das ALPIANA als einen Ort, wo Zeit seinen Platz haben darf, wo man alles darf, aber nichts muss.
Joachim Leiter: Ein Hotel ist wie jedes Unternehmen eine Art lebender Organismus. In welche Richtung wird sich das ALPIANA weiterentwickeln?
Johannes Margesin: Wir arbeiten an unserer 2015 entwickelten Vision weiter, damals gab es ein komplettes Rebranding des bestehenden Hotels samt Umbau. Diese geschaffene Basis bleibt bestehen, vieles, das wir damals konzipiert hatten, wurde nämlich nicht sogleich umgesetzt. Wir waren schon zu diesem Zeitpunkt absoluter Vorreiter, beispielsweise mit unserem vegetarisch-veganen Restaurant Nutris, das erste seiner Art in der Region. Jetzt ist die Zeit reif, einige weitere der damaligen Ideen konkret anzugehen.
Joachim Leiter: Verraten Sie mir auch, welche der angesprochenen „damaligen Ideen“ nun umgesetzt werden?
Christian Margesin: Absolut, wir möchten an unsere Führungsposition im Bereich Wellness, die wir 2015 errungen hatten, anknüpfen – dafür planen wir für die Zukunft weitere Investitionen. Diese Führungsposition war und ist weniger bedingt durch die Anzahl oder Größe an Saunen, sondern eher, indem wir unsere einzigartige Lage inmitten der Natur besser hervorheben und auf Qualität setzen. Ganz nach dem Motto: „Oft ist weniger mehr.
Joachim Leiter: Es wird somit vor allem an der ALPIANA-Infrastruktur geschraubt?
Johannes Margesin: Nicht nur, wir setzen ebenso weiter auf die Vision, Nachhaltigkeit und Urlaub zu vereinen. Nachhaltigkeit bedeutet für uns aber nicht die Positionierung als reines Biohotel, sondern nachhaltiges Denken auf verschiedenen Ebenen: angefangen bei der Energiegewinnung über die Nutzung von lokalen und regionalen Lebensmitteln, die Mülltrennung bis hin zu Mitarbeiterschulung und Gästeerziehung.
Nachhaltig soll der Urlaub zudem für den Gast selbst sein: Wir bieten auch in Zukunft keinen Wellness-Lunapark mit Eventaufguss samt Technomusik als Erlebnis vor Ort. Ziel wäre es, dass der Gast heimkehrt und etwas mitnimmt: Etwas Lehrreiches, weil er den Käser auf der Alm kennengelernt hat, etwas Interessantes aus dem didaktischen Kinderprogramm oder weil er beim Lesen in Garten zu sich selbst gefunden hat.
Urlaub mit nachhaltigem Effekt für den Gast, nicht nur für unsere Natur vor Ort. Wir möchten ehrliche Erlebnisse anbieten mit qualitativ hochwertiger Infrastruktur. Damit heben wir uns von vielen anderen mittelgroßen Wellnesshotels ab, die genau die andere Schiene fahren und in fünf zusätzliche Saunen investieren …
Joachim Leiter: Das Thema Nachhaltigkeit bespielen immer mehr Hotels …
Christian Margesin: Stimmt, Nachhaltigkeit verlangt jedoch stets Glaubwürdigkeit. Wir leiten daher gerade einen Prozess in die Wege, um gemeinsam mit einem renommierten Institut am Ziel Klimaneutralität zu arbeiten. Respekt vor der Umwelt bedeutet zugleich auch Respekt vor dem Menschen. Wir möchten zudem besser hervorheben, was wir in diesem Bereich bereits leisten: Wir sind so gut wie autark in der Energieproduktion und unsere Pools werden schon länger nur mit Pellets beheizt. Zudem möchten wir künftig noch mehr Grün ins Haus hinein holen und arbeiten diesbezüglich fleißig an konkreten Ideen mit unserem Architekten.
Joachim Leiter: Ihre Familie führt das ALPIANA nun seit über 40 Jahren und hat somit den digitalen Wandel in der Hotelbranche an vorderster Front miterlebt. Welche digitalen Revolutionen haben Ihr Unternehmen am stärksten beeinflusst?
Johannes Margesin: Darf ich dazu eine Anekdote unseres Vaters erzählen? In den 1990ern gelang es ihm, mit einer einzigen Anzeige in der Zeitschrift Madame und maximal einer weiteren in einer Autozeitschrift das Hotel zu füllen – und der Völlanerhof war beileibe nicht klein mit seinen 47 Zimmern. Der Gast hatte damals weniger Auswahl, die Gästebindung war sehr stark, sodass dieses eine Inserat ausreichte, um die restlichen Zimmer mit neuen Gästen zu füllen.
Am stärksten beeinflusst haben die Branche sicherlich Webseiten und E-Mails. Das waren die Gamechanger. Anschließend kam die Einführung der Hotelsoftware, die ungemeine Erleichterungen mit sich brachte. Nicht nur im Bereich der Buchungen, sondern damit meinen wir ebenso Software für die Haustechnik und zur Steuerung der Infrastruktur.
„Digitalisierung – der Gast steht der Thematik ebenfalls zwiespältig gegenüber.”
Joachim Leiter: Und letzthin?
Christian Margesin: In den vergangenen Jahren lag die digitale Revolution in der Hotellerie generell vor allem im Bereich der sozialen Medien: die unterschiedlichen Plattformen, die Influencer- und Bloggerbewegung. Für uns im Speziellen stellte die Einführung der Marketing-Automatisierungssoftware ADDITIVE+ MARKETING AUTOMATION einen starken Einschnitt dar.
Joachim Leiter: Welchen Chancen und Risiken sehen Sie in der fortschreitenden Digitalisierung?
Johannes Margesin: Wir sehen die Problematik darin, dass damit einhergehend das Persönliche und Menschliche verloren geht – und genau hier knüpfen wir an. Wir verstehen Digitalisierung als riesige Chance und gerade in der Hotelbranche besteht absoluter Aufholbedarf. Die Krux besteht darin, die Gäste diese Digitalisierung nicht spüren zu lassen, im Vordergrund sollte die Menschlichkeit stehen, aber eben unterstützt durch das Digitale im Hintergrund.
Der Gast selbst steht der Thematik ebenfalls zwiespältig gegenüber: Im ersten Moment sucht er Urlaub in der Natur und das Regionale. Diese Sehnsüchte erscheinen oberflächlich betrachtet im starken Kontrast zu Technik und Digitalisierung. Im zweiten Moment jedoch ist WLAN auf dem Zimmer beinahe wichtiger als das Bett im Zimmer. Wehe, das WLAN setzt für eine Minute aus … (lacht).
Joachim Leiter: Und wie versucht das ALPIANA diese Gratwanderung zu meistern?
Christian Margesin: Wir versuchen beides gut miteinander zu kombinieren: Für uns selbst versuchen wir die Prozesse durch Digitalisierung effizienter zu gestalten und das Handling der Gäste zu vereinfachen, jedoch ohne dem Gast das Gefühl von Automatisierung zu geben. Denn das sehen wir besonders beim Einsatz von Tools als problematisch: Das Gefühl beim (potenziellen) Gast hervorzurufen, alles wäre automatisiert, ist das Schlimmste …
Joachim Leiter: Es überwiegen also die Chancen beim Thema Digitalisierung für Hotels?
Johannes Margesin: Zusammenfassend kann man folgende Vorteile nennen: Arbeitserleichterung, Fehlervermeidung, Kostenreduktion, Prozessvereinfachung und das Setzen von Standards.
Speziell für die Hotellerie ist der CRM-Bereich zu nennen: Ohne Digitalisierung funktioniert hier im Hotelmanagement und Hotelmarketing gar nichts – und genau dieser Bereich der Digitalisierung birgt große Chancen auf unserem hart umkämpften Markt: So viel wie nur möglich über den eigenen Gast wissen. Im Tagesgeschäft geht viel Wissen verloren, weil es nicht dokumentiert wird. Aber genau das muss geschehen, allerdings so, dass der Gast es nicht bemerkt. Auf keinen Fall soll das Gefühl entstehen, der Gast bekomme seinen Lieblingswein serviert, weil der Kellner dies in der Software abgelesen hat. Es macht einen Unterschied, ob sich der Mensch daran erinnert oder nur ein Programm. Das Thema Privacy spielt zudem auch eine große Rolle.
Joachim Leiter: Durch eine kürzlich erschienene Fallstudie ist ja hinsichtlich bekannt, dass das ALPIANA ein Vorreiter in Sachen Marketing Automatisierung war und ist. Wie beurteilen Sie den bisherigen Weg?
Christian Margesin: Wir waren damals vor fünf Jahren tatsächlich die ersten Kunden, die die ADDITIVE+ MARKETING AUTOMATION installierten. Die Zusammenarbeit funktioniert seit Beginn an super! Unsere ursprüngliche Angst war die Überforderung unserer (potenziellen) Gäste mit verschiedenen Kommunikationsmaßnahmen. Wir versandten bereits manuell den ALPIANA-Hotelnewsletter, erstellten organische Social-Media-Postings, wenn also die Automatisierungssoftware zusätzlich noch arbeitet – wäre das nicht zu viel Kommunikation?
Wir mussten uns bald eingestehen, dass man die Gäste gar nicht zu viel „bearbeiten“ kann: Die Menschen vergessen vieles, öffnen nun mal nicht jede Hotel-E-Mail und sind es heutzutage einfach gewohnt, laufend mit Informationen bespielt zu werden. Denken wir nur kurz an uns selbst: Wir merken uns nun mal nicht alles beim ersten Lesen oder Hören, wir Menschen benötigen einfach mehrmals die Ansprache, bis etwas in unserem Kopf verankert ist. Es gab in den vergangenen Jahren jedenfalls nicht eine einzige Beschwerde, dass ein Gast zu oft von uns hören würde!
Joachim Leiter: Wie aufwendig war hierbei die Einrichtung und der laufende Betrieb der Marketing Automatisierungssoftware?
Johannes Margesin: Wir haben im laufenden Betrieb genau null Aufwand, wir sehen uns regelmäßig die Reports und Statistiken zur Software an. Zu Beginn bei der Einrichtung waren lediglich die Use Cases zu definieren – also welche Anwendungsfälle machen für uns Sinn, welche weniger.
Das wäre zum Beispiel die Reaktivierung von Anfragen ohne Buchung. Die Software schickt automatisch all jenen, die einmal eine Reservierungsanfrage gestellt haben, nach elf Monaten eine E-Mail mit Angeboten. Sind diese Kriterien definiert, war’s das im Prinzip. Wir werden natürlich laufend seitens ADDITIVE betreut, der Algorithmus lernt stetig dazu und zudem wird die Software kontinuierlich optimiert.
Joachim Leiter: Gab es abgesehen vom „zu viel kommunizieren“ weitere Einwände, die sich revidieren lassen?
Christian Margesin: Skeptisch waren wir damals beim Handling und den automatisierten Einsatz von Gutscheinen. Aber die Erfahrung zeigt, die zugestandenen Rabatte sind überschaubar, es überwiegen eindeutig die Vorteile, einfach weil sehr viele Gutscheine nie eingelöst oder vergessen werden.
Joachim Leiter: Welche täglichen manuellen Marketing-Prozesse sollten zukünftig ebenfalls automatisiert werden?
Johannes Margesin: Bestenfalls alle – konkret drückt der Schuh jedoch bei Standard-Reservierungsanfragen, die für die Rezeption tagtäglich einen immensen Aufwand darstellen. Wobei hier die persönliche Komponente weiter eine Rolle spielt. Das Tagesgeschäft zeigt jedoch, dass nur rund 20 Prozent aller Anfragen wirklich stark individuell sind, beim Rest handelt es sich um standardisierte Anfragen und dementsprechende Angebote unsererseits.
Joachim Leiter: Wenn wir über neue herausragende Hotelkonzepte auf der Welt sprechen, welche Projekte fallen Ihnen dabei als erstes ein?
Christian und Johannes Margesin: Überraschend sind viele Projekte. Bleiben wir in der Umgebung, stechen in Südtirol einerseits die kleinen, ehrlichen Boutiquehotels hervor wie das Ottmanngut in Meran oder Villa Arnica in Lana. Bei diesen Projekten war man landläufig der Meinung, so etwas funktioniere in Südtirol nicht, weil diese Betriebe keine Infrastruktur bieten würden.
Im selben Atemzug muss man jedoch genau die gegenteiligen Hotelresorts nennen wie das Quellenhof Resort in Passeier, das aus der Masse hervorsticht auf eine ganz andere Weise als die eingangs erwähnten Betriebe. Alle bedienen die eigene Kundentypologie auf hochprofessionelle Weise.
Christian Margesin: Ich fand die konkrete Erfahrung in Norwegen im Hotel Manshausen Island einzigartig. Das Hotel hat ein Polarforscher aufgebaut als Rückzugsort, dementsprechend abgelegen ist es. Da kommt ein Fischer in seinem Boot, um die Gäste am Festland abzuholen …
Johannes Margesin: Ich möchte ebenso die Lefay Resorts nennen, die zwar nicht außergewöhnlich extraordinär sind, aber hervorstechen im Bereich der traditionellen Hotelkultur: eine absolut herausragende Qualität im Bereich Wellnesshotellerie mit einer Mischung aus toller Infrastruktur und hoher Servicekultur. Im Segment der Chalets sind die Adler Lodges zu nennen: Ein geniales Produkt, das auf Kindheitsträumen und Urwünschen basiert – die kleine Hütte im Wald mit allem Komfort und Luxus. Und abschließend noch der Abstecher Richtung Süden – das Follonico B&B in der Toskana.
Joachim Leiter: Welches ehrgeizige neue Projekt ist bis 2025 abgeschlossen?
Christian Margesin: Wir sind dabei, uns einen Lebenstraum zu erfüllen: Wir stehen mitten in der Planung eines zweiten besonderen Hotels sowie aller damit einhergehenden Maßnahmen im Bereich Eröffnung Hotelmarketing beziehungsweise Neueröffnung Hotelmarketing. Genaueres möchten wir noch nicht verraten. So viel vorweg: Es wird mit Sicherheit ein besonderes Juwel an einem besonderen Ort …
Joachim Leiter: Warum ein zweites Standbein?
Johannes Margesin: Es sind verschiedene Gründe. Ein Hauptgrund: Es gibt in der Umgebung, wo das Projekt geplant ist, aktuell kein Produkt, das unseren Ansprüchen und unseren Standards entspricht. Wir möchten unser gewonnenes Know-how und unsere Erfahrungen in ein neues, anderes Projekt miteinfließen lassen und komplett von null starten.
Einen bestehenden Betrieb kann man zwar umbauen, weiterentwickeln, anpassen, man ist jedoch stets gebunden an aktuelle Gegebenheiten, an die Infrastruktur, an Gäste. Man tauscht schließlich nicht von heute auf morgen alle Gäste, Mitarbeiter etc. aus. In einem neuen Projekt können wir uns zu 100 Prozent verwirklichen. Es gibt außerhalb von Südtirol zwar viele tolle Projekte, nicht jedoch in diesem unseren Segment. Diese Lücke möchten wir gerne füllen.
Joachim Leiter: Gibt es eine Persönlichkeit aus dem Tourismus (oder gerne auch aus einem anderen Bereich), die Sie schon immer einmal treffen wollten? Warum und was wäre Ihre zentrale Frage an diese Person?
Christian und Johannes Margesin unisono: Barack Obama.
Christian Margesin: Mich interessiert dabei weniger die politische, sondern die menschliche Seite: Wie sieht er seine Amtsjahre im Rückblick? Was denkt er wirklich über die Welt? Wo sieht er seine persönliche Challenge: Hat er das erreicht, was er sich vorgenommen hat? Eine weitere Persönlichkeit, die ich gerne treffen würde: Angela Merkel. Diese würde ich fragen, was sie persönlich von den vielen Staatsmännern hält, die sie getroffen hat oder treffen musste.
Johannes Margesin: Abgesehen von einer Runde Golf mit Barack Obama hätte ich noch ein Treffen mit Sportpersönlichkeiten wie Rafael Nadal oder Tiger Woods auf meiner Liste.