Neubauten, Umbauten oder Renovierungen stehen in der Hotellerie häufig am Plan. Es geht um neue Angebote und Modernisierungen, die vor allem neue Gäste anlocken und den Stammgästen das Treuehalten erleichtern sollen. Das alles hat natürlich auch im Fokus, dass sich die Bedürfnisse und Anforderungen der Gäste verändern und man mit der Zeit gehen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben und neue Zielgruppen anzusprechen.
Eines passiert ebenso, nämlich unabhängig davon, wie modern ein Haus ist, ändert sich das Alter der Gäste und auch deren Ansprüche an die Mobilität. Das Sehen verändert sich, man bewegt sich anders mit 65 Jahren als mit 20 Jahren und noch vieles mehr. Aber es ist für viele dieser Altersgruppe, verständlicherweise, von besonderer Bedeutung, dass eine vorhandene oder sich anbahnende Mobilitätsbeeinträchtigung nicht zum vordergründigen Part des Urlaubes wird. Man möchte in der Anonymität seiner Mobilitätseinschränkungen bleiben und sucht sich Orte, wo das auch ermöglicht wird.
| Tabuthema Behinderung |
Der Gast redet lieber über sein tolles Leben, schöne Erlebnisse im Urlaub, als seine nicht mehr ganz so lange Ausdauer, seine neue Hüfte oder das neue Knie. Ja, Behinderung und Alter hängen unmittelbar zusammen, da kann man nichts machen, das ist einfach so! Ganz nebenbei gibt es auch Personen, die eine Behinderung nicht mehr verstecken können, weil sie auf einen Rollstuhl angewiesen sind, Krücken brauchen oder ein Rollator der ständige Begleiter wird. Schlimm? Besonders dann, wenn die Voraussetzungen im Hotel nicht stimmen und man wegen jeder Kleinigkeit um Hilfe bitten muss. Separater Schlüssel für den Aufzug, die Suche nach barrierefreien Toiletten oder Hilfe am Frühstücksbuffet. Warum? Weil es teils nicht beschrieben ist, keiner darüber reden möchte, Behinderung ein Tabuthema ist.
| Mehr Betroffene als gedacht |
Blöd wenn’s jemanden erwischt hat, aber anderseits betrifft es ja auch nur ein paar wenige, oder? Hier ein paar Zahlen aus verlässlichen Quellen von Statistik Austria bis Eurostat. In Österreich sind rund 1,75 Millionen Menschen über 65 Jahre alt, 18,4 % der Bevölkerung sind von einer Behinderung betroffen, das sind rund 1,64 Millionen. Es gibt rund 465.000 Pflegegeldbezieher*innen und von 2016 bis 2020 wurden rund 580.000 Behindertenpässe neu ausgestellt. EU-weit reden wir von 20,6 % der Bevölkerung über 65 Jahre oder in Zahlen ausgedrückt: 92,1 Millionen sowie 20 % Menschen mit Behinderungen oder 89,4 Millionen Europäer*innen.
Vielleicht bringt das jetzt manche zum Nachdenken, dass Barrierefreiheit mehr ist, als nur ein „soziales Engagement“. Es gewinnt immer mehr an Bedeutung und ist im Sinne der Nachhaltigkeit nicht mehr wegzudenken. Auch ohne wird es noch ein paar Jahre gut gehen, aber wie lange noch? Und über Personen mit Kinderwagen, Sportverletzte oder Transportwege für das Personal haben wir noch gar nicht gesprochen.
| Gleichstellungsgesetz |
Ja, all das gehört zu Barrierefreiheit. Und für die ganz schwer zu überzeugenden mal die Frage: „Muss ich barrierefrei umbauen?“ Ja, da gibt es neben der Bauordnung und behördlichen Vorschriften noch ein wichtiges Gesetz. Das Bundesbehindertengleichstellungsgesetz. Das sagt, dass Menschen nicht aufgrund ihrer wie auch immer gearteten Behinderung benachteiligt werden dürfen und Angebote in der allgemein üblichen Art und Weise zur Verfügung gestellt werden müssen – und das Ganze auch noch ohne fremde Hilfe. Das wird der Hinter- oder Nebeneingang nicht erfüllen, auch nicht die Rampe, wo ich Hilfe brauche, oder der Aufzug, den nur das Personal bedient.
| Drei Arten von Diskriminierung |
Man unterscheidet zwischen drei Arten von Diskriminierung: Der mittelbaren, der unmittelbaren und der Belästigung. Mittelbar wird wohl am meisten zutreffend sein – das bedeutet zum Beispiel, das Hotel lässt mich ein Zimmer buchen, es gibt aber kein barrierefreies Zimmer, keinen oder nur unterstützten Zugang zum Wellnessbereich oder gar generell ins Hotel und so weiter. Unmittelbar bedeutet, der Hotelbetrieb gibt einem behinderten Gast erst gar kein Zimmer oder ich bekomme als Gast mit Behinderungen nicht die Möglichkeit, das günstigste Zimmer zu buchen, weil man beispielsweise nur die deutlich teurere Suite barrierefrei adaptiert hat. Ein wirklich häufiges Problem in der Praxis.
Belästigung wäre ein unanstößiges, unangebrachtes Verhalten. Folgen? Ja natürlich gibt es diese. Schadenersatzzahlungen und zwar für die erlittene persönliche Beeinträchtigung, natürlich den Vermögensschaden wie etwa den Preisunterschied vom günstigsten zum teureren Zimmer oder die gesamten Aufwandskosten, weil die Anlage nicht barrierefrei ist und deshalb eine Abreise stattfinden muss. Und die Liste könnte noch weitergehen. Aber eigentlich sollten wir uns damit beschäftigen, wie wir allen Gästen ein komfortables Umfeld bieten, denn Barrierefreiheit wird von vielen gebraucht, bietet aber auch 100 % Mehrwert für alle.
| Enormes Wachstumspotenzial |
Die großen Technologiefirmen wie Apple, Google oder Microsoft haben das schon verstanden und investieren hier in ihre Zukunft. Warum? Weil Sie damit alle Kunden erreichen und ihr Marktpotenzial voll ausschöpfen können. Denn im Bereich der Barrierefreiheit gibt es enormes Wachstumspotenzial. Nur eines muss man dabei verstehen, Behinderung muss man nicht unbedingt sehen können. Die größte Anzahl an Behinderungen sind unsichtbare wie zum Beispiel chronische Erkrankungen, nicht jeder kommt mit dem Rollstuhl! Wer das verstanden hat, ist bereit für neue Kunden.
| Barrierefreies Praxisbeispiel |
Als Experte für Barrierefreiheit beschäftige ich mich seit mehr als 15 Jahren mit dem Thema und begleite große Projekte bei der Umsetzung. Jüngst das neue Resort von Erich Scheiblhofer in Andau im Burgenland, das ich drei Jahre lang begleiten durfte. Ein Hotel, wo man sich keine Gedanken machen muss, ob es barrierefrei ist, weder als Gast noch als Firma bei Seminaren, Klausuren oder Events. Altbewährtes wurde gemischt mit Innovationen. Gemeinsam haben wir dort zum Beispiel mit der Firma devine® neue innovative Möglichkeiten geschaffen, wie wir im Wellnessbereich einen Zugang für alle ermöglichen, dabei den vorhandenen Platz optimal ausnützen und individuell auf die Bedürfnisse der Saunagäste eingehen können.